Liebe Freunde von Hydrotip
in einem der Beiträge zur Pflanzensystematik habe ich das griechische Wort "Panta Rhei" (Alles fließt) zitiert, und durch die ganze Serie zieht sich der rote Faden, dass das Natürliche Pflanzensystem in ständiger Weiterentwicklung begriffen ist, was uns Nutzern manchmal Kopfschmerzen bereitet.
Die neueste jetzt allgemeiner akzeptierte Änderung bedeutet aber eine Vereinfachung. Sie betrifft die vormals in unzählige kleine Familien aufgefächerten "alten" Liliengewächse. In wenigstens einem Teil von ihnen scheint jetzt eine etwas dauerhaftere Lösung eingetreten zu sein, die sich bereits angedeutet hat und die ich deshalb auch schon ankündigte. Es betrifft den "Fall" 4 unserer Liste, der im Beitrag 9 näher erläutert worden ist. Bereits damals deutete sich an, dass die Angiosperm Phylogeny Group weitere Veränderungen ausgearbeitet hat, die aufgrund der neueren molekularen Untersuchungen notwendig werden. Dabei ist es nun offenbar gelungen, eine Vereinfachung zu erreichen.
Für uns Nutzer ist es deshalb zu begrüßen, dass aus vielen kleineren Familien drei große geworden sind. Nun hat sich auch die große Datenbank des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums GRIN diesen Veränderungen angeschlossen. Das zeigt, dass sie auch bereits allgemeiner akzeptiert sind, so dass wir dem hier nun auch folgen können. Die Veränderungen bestehen hauptsächlich darin, dass die früher selbständigen Familien zu Unterfamilien herabgestuft worden sind, so dass das größere Ganze besser sichtbar geworden ist. Nach den Nomenklaturregeln verändern dabei einzelne Familien ihren Namen ganz, bei anderen wird nur die Endung geändert.
Was ist passiert?
Man muss die Veränderungen unter zwei Gesichtspunkten sehen.
1. Zum einen haben sich natürlich im Laufe der Jahre, vor allem durch die neuen molekulargenetischen Erkenntnisse, viele Detailverschiebungen ergeben.
Im Folgenden sind drei Beispiele dargestellt, die für die detaillierten Veränderungen bei einzelnen Pflanzenarten und -gattungen stehen. Im ersten Falle (Camassia) ist die Gattung aus der Unterfamilie Hyazinthengewächse in die Unterfamilie Agavengewächse überführt worden. Der zweite Fall bezieht sich auf die sehr verschiedenartig gehandhabte Gattung Milchsterne (Ornithogalum). Sie wurden zeitweise weit auseinander genommen, nun aber zusammengefasst. So ist die vormalige Gattung Albuca jetzt auch mit einbezogen worden. Der dritte Fall betrifft eine Auftrennung. Die Gattung Scilla ist jetzt viel weiter aufgetrennt worden, und die Natal-Scilla steht jetzt in einer eigenen Gattung Merwilla.
Diesen zweiten Gesichtspunkt soll die folgende Grafik verdeutlichen, die einen Modell-Stammbaum darstellt. Er sieht dem wirklichen Baum ähnlich, aber die Verhältnisse sind hier schematisiert dargestellt. Ursprünglich waren in der alten Familie Liliaceae alle Untergruppen zusammen gefasst. Die neuen molekularen Erkenntnisse haben zu einer Aufsplitterung geführt, weil man die Familiengrenzen weit nach rechts verschoben hat. Nun hat man einen Kompromiss gefunden, der nicht nur wissenschaftlich, sondern auch praktisch begründet ist. Mit großen Familien kann man leichter umgehen. Im Grunde genommen resultiert die Zusammenfassung in Familien "nur" in einer Verschiebung der Trennungslinie.
1. Die Familie Xanthorrhoeaceae:
Auch wenn die Grasbäume Xanthorrhoea nicht gerade die typischsten Formen für diese Familie sind, muss wohl nach den Nomenklaturregeln diese Familie so heißen. Es sind also jetzt die Grasbaumgewächse.
Zu Ihnen zählen als wichtigste die folgenden Gruppen
- Hemerocallidaceae und Phormiaceae > Hemerocallidoideae (Tagliliengewächse)
mit den wichtigsten Gattungen: Dianella, Hemerocallis, Phormium,
- Xanthorrhoeaceae > Xanthorrhoeoideae (Grasbaumgewächse im engeren Sinne)
Nur die Gattung Xanthorrhoea zählt dazu.
- Asphodelaceae > Asphodeloideae (Affodillgewächse)
Aloe, Asphodeline, Asphodelus, Bulbine, Eremurus, Gasteria, Haworthia, Kniphofia
2. Die Familie Amaryllidaceae:
Bereits früher hatte man diese Familien schon einmal näher zusammen gerückt. Jetzt sind die Amaryllisgewächse also eine größere Familie.
Dazu zählen folgende Unterfamilien:
- Agapanthaceae > Agapanthoideae (Schmuckliliengewächse)
Hier gibt es nur die Gattung Agapanthus.
- Alliaceae > Allioideae (Lauchgewächse)
Sie sind charakteristisch durch ihren Lauchgeruch und oberständige Fruchtknoten: Allium, Gilliesia, Nothoscordum (einschließlich Ipheion), Tulbaghia
- Amaryllidaceae > Amaryllidoideae (Amaryllisgewächse in engeren Sinne)
Sie haben einen unterständigen Fruchtknoten und keinen Lauchgeruch. Die wichtigsten ausgewählten Gattungen sind: Amaryllis, Ammocharis, Boophone, Brunsvigia, Chlidanthus, Clivia, Crinum, Cyrtanthus, Eucharis, Eucrosia, Galanthus, Gethyllis, Habranthus, Haemanthus, Hippeastrum, Hymenocallis, Ismene, Leucojum, Lycoris, Narcissus, Nerine, Pancratium, Placea, Rhodophiala, Scadoxus, Sprekelia, Stenomesson, Sternbergia, Ungernia, Urceolina, Zephyranthes.
3. Die Familie Asparagceae:
Diese große Familie nimmt viele ehemalige kleinere auf. Die wichtigsten sind:
- Themidaceae > Brodiaeoideae (Triteleiengewächse)
Androstephium, Bessera, Bloomeria, Brodiaea, Dichelostemma, Milla, Muilla, Triteleia
- Hyacinthacae > Scilloideae (Hyazinthengewächse)
Die wichtigsten ausgewählten Gattungen sind: Bellevalia, Bowiea, Brimeura, Chionodoxa, Drimia, Eucomis, Hyacinthella, Hyacinthoides, Hyacinthus, Lachenalia, Ledebouria, Massonia, Merwilla, Muscari, Ornithogalum, Prospero, Puschkinia, Schizocarphus, Scilla, Urginea, Veltheimia
- Agavaceae > Agavoideae (Agavengewächse)
Agave, Anemarrhena, Anthericum, Beschorneria, Camassia, Chlorophytum, Echeandia, Furcraea, Hesperaloe, Hesperocallis, Hosta, Manfreda, Paradisea, Polianthes, Yucca
- Lomandraceae und Laxmanniaceae > Lomandroideae (Keulenliliengewächse)
Arthropodium, Cordyline, Laxmannia, Lomandra, Thysanotus
- Asparagaceae > Asparagoideae (Spargelgewächse im engeren Sinne)
Dazu zählt nur die Gattung Asparagus.
- Ruscaceae > Nolinoideae (Mäusedorngewächse)
Aspidistra, Beaucarnea, Convallaria, Danae, Dasylirion, Dracaena, Eriospermum, Liriope, Maianthemum, Nolina, Ophiopogon, Peliosanthes, Polygonatum, Rhodea, Ruscus, Sansevieria, Semele, Tupistra.
Wie Sie sehen, es ist immer wieder interessant, die weitere Entwicklung zu verfolgen. Wir bemühen uns ständig, für unsere User so aktuell wie möglich zu sein.
Berlin, den 20. Februar 2010
© Dr. Joachim Keller - Quedlinburg